Freitag, 4. Mai 2007
es geht weiter. hier. Dienstag, 9. Januar 2007
Wenn der Adressat kein Französisch konnte, hatte er eine diabolische Freude daran, in hochkompliziertem Französisch zu schreiben; er steckte die Briefe, noch mit ein paar handschriftlichen Anmerkungen versehen, in die Couverts, nachdem man ihn wieder einmal darauf aufmerksam gemacht hatte, dass kürzlich die Postleitzahlen eingeführt worden waren. Mit derlei Bürokratismen hielt er sich nämlich nicht auf und war überhaupt ein ausserordentlich Unpraktischer, wie die Überlieferung eines ehemaligen Wohngenossen beweist, welcher ihn einmal dabei überraschte, wie er mit einem Mimosenstrauch versuchte, einen rumpelnden und rauchenden Ölofen zu löschen. Meienberg. Lebensgeschichte des Schweizer Journalisten und Schriftstellers, S. 7. Am Bahnhof. Zwei U20-Jungs reden mit zwei U20-Mädchen. Einer fragt ernst: "Kommt ihr später auch noch vorne" - er zeigt die Richtung an - "zur Szene"? Während sich die Jungs schon mal in Bewegung setzen, tauschen die Mädchen Blicke aus und beginnen unwillkürlich zu lächeln. Eine sagt unsicher: "Ja-ah". Dann bin ich vorbei. Donnerstag, 12. Oktober 2006
Weil um 23 Uhr das Kaufleuten wieder eröffnet werden muss für die trendbewussten Menschen in Zürich und Umgebung, die sich gerne einem Auswahlverfahren zum Einlass stellen, begann das Konzert bereits um 20 Uhr mit Türöffnung um 19 Uhr. Eine Vorband spielte gerade, als wir den Raum betraten, am Klavier ein Mann, der als auffälligstes Merkmal (für ein Phantombild) lange Rastazöpfe trug und stehend mit voller und wohlklingender Stimme Liebeslieder vortrug sowie ein Mann am Schlagzeug, der nicht nur Schneebesen und Käseraffel, sondern auch einen ausgebauten Schirm als Schlagwerke benutzte. Er sah ganz aus wie Bob Dylan, aber mit Naturlocke. Nach einem kurzen Getränkeausgleich betrat dann auch schon The Divine Comedy die Bühne. Neil Hannon, der mich auf dem Weg hinter die Bühne sanft anrempelte und von hinten wie eine interessante Frau aussah, sieht von vorne aus wie: naja, ganz wie ein junger, blonder, sympathischer Weblogautor vom selben Hügel, den vielleicht die einen oder anderen sogar kennen. Aber nicht nur ein bisschen, sondern ganz so, ich war frappiert über dergleich frappierende Ähnlichkeit. Falls meine Einschätzungen weit neben anderen Einschätzungen liegen sollten, dann kann das nur an meinen ungenügend korrigierten Linsen liegen. Wie dem auch sei, Neil Hannon hatte eine graue Busschaffnerhose an und ist nach längeren Beratungen mit mehreren sich gegenseitig beratenden Personen unmöglich grösser als einen Meter 75 und kaum schwerer als 60 Kilogramm. Das ist total unwichtig, aber wer hätte gedacht, dass die mächtige, grosse, volle, ausladende, raumfüllende, einfach riesige Stimme einem derartigen Herrn entspringt? Doch sie entspringt, sie ist da und sie ist sehr gut verstärkt, womit nicht die maximal mögliche Lautstärke gemeint ist. Als das 1998 erschienene, sich als prophetisch herausstellende "Generation Sex" gespielt wird, erschrecke ich über die Kraft dieses Songs, den ich doch immer etwas aufs Nebengleis gestellt habe. Neben ihm auf der kleinen Bühne stehen 10 andere Menschen, die alle Instrumente spielen (wer hätte das gedacht?) und gut aussehen. Der mächtige Mann in der Mitte singt derweil weiter vor sich hin und kündigt den zweiten oder dritten Song an mit einem "Now we'll play another song in long series of songs this evening.". Well, wer hätte das gedacht? Leider ist die Reihe von Songs nicht sooo lang, wie sie sein sollte, wenn man nach 10 Minuten Musik einfach bezaubert dasteht und den Smile nicht mehr wegkriegt, doch 1 1/2 Stunden mit drei und einer Zugabe sind ja nicht nichts. Von meinen Lieblingssongs, die gemäss Itunes mit etwa 21 nicht gering an Zahl sind, werden nur vier gespielt, nämlich "The Plough" (erst kürzlich aufgenommen), "Our Mutual Friend" und erst in den Zugaben das die Dächer überfliegende "Tonight we fly" und das goldige "Sunrise" ('Oh what a special child / To see such things and still to smile'). Trotzdem wäre es verfehlt, deswegen enttäuscht zu sein, im Gegenteil, für dieses Konzert hätte ich auch das Dreifache bezahlt. Kommen wir nochmals auf seine Kleidung zurück, da er nach ein paar Songs seinen ebenso mausgrauen Anzug auszieht, da es auf der Bühne und im Raum recht schnell warm wird, weil das erfreulich nicht distanzierte Zürcher Publikum von Anfang an enthusiastisch dabei ist (was ich erstaunlich fand, geht es doch um Divine-Comedy-Hörer UND Zürich, alle Vorurteile sind begraben jetzt, hoffentlich für immer). Die kühle englische Art löst sich schnell auf in eine Art Robbie Williams und unter dem mausgrauen Anzug kommt ein Hemd hervor, das in der Farbe an verblichene Briefe erinnert, wären da nicht ungleichmässig verteilte rote Flecken, die, wie mir unbotmässig einfällt, allesamt von zerschlagenen mit Blut vollgesogenen Moskitos stammen könnten. Dieses Hemd ist mit Bestimmtheit originell und an der richtigen Person sieht ja bekanntlich alles gut aus. Am Handgelenk trägt eine Schweizer Bahnhofsuhr, für die er, wie er erzählt, von seinen Bandmitgliedern verachtet wird. An dieser Stelle wurde hier auch schon die schlichte Funktionalität solcher Uhren berichtet. Dazu lobt er auch noch Zürich als schöne Stadt, nicht nur so, sondern I mean it, really, I do. Die ersten paar Songs begleitet Neil mit der Gitarre und als er sie auszieht und seine Songs mit erklärenden Gesten begleitet, bringt ihm ein haarloser englischer Türsteher von einem Zentner ein neues Bier und als er wieder geht, wie ging das jetzt, zur Hölle, raucht der Sänger eine Zigarette, übrigens als Einziger im ganzen Raum (dem Fussvolk ist es ja auch verboten). Er raucht sie bedächtig und bewusst und wer könnte sich ihn nicht vorstellen, mit seiner Tochter und seinem Hund und seinem Schal und seiner Sonnenbrille, wie er am Rand eines Kornfelds steht und sich dort einen neuen Song ausdenkt und dabei ebenso bewusst und bedächtig eine Zigarette raucht. Als ihm wirklich heiss wird, bietet er sein vergilbtes Moskitohemd dem Ersten, der ihm ein echtes Guiness auf die Bühne bringt, was dann gleichzeitig jemand aus dem Publikum ist (eine Flasche) und der Zentnermann (ein Pint). Das war jetzt eine Liebeserklärung an eine Lieblingsband, haben sie es gemerkt? Ich könnte noch länger schreiben, aber ich bin müde jetzt und les es nicht mal mehr durch. Kaufen sie sich besser etwas Divine Comedy, sie werden es nicht bereuen. "If you were a horse / I could ride you through the fields at dawn". Nächste Seite |
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