Donnerstag, 3. August 2006

Man könnte sagen, ich bin gar nie erwachsen geworden. Es hiess immer: Jetzt musst du dann die Kinderschuhe ausziehen. Ich habe immer Spiele gebraucht, und das führte zu einer gewissen Einsamkeit. Die Freunde, mit denen ich früher spielte, arbeiteten plötzlich, heirateten, bauten ein Häuschen. Das hat mich deprimiert. Da hab ich halt alleine weitergespielt und wurde als Spinner angeschaut. Ich mache immer noch das Gleiche wie früher, einfach mit einem andern Bewusstsein. Die spielerische Komponente ist immer noch stark. In unserer Gesellschaft ist das problematisch. Manchmal muss man es auch verbergen. Ich habe ja zehn Jahre auf meinem Beruf als Bauzeichner gearbeitet, da gab es nicht viele Möglichkeiten für Spiel. Wenn du Fehler machtest bei den Zeichnungen, gab’s nachher andere Spielchen... Manchmal hab ich absurde Zeichnungen gemacht, und der Architekt war entsetzt. Ich hatte den Kopf woanders, ich war nicht glücklich.

Eines Tages ging ich in einen Spunten, den mein Cousin führte. Am Vortag war etwas über mich am Fernsehen ausgestrahlt worden, eine Aktion, wo ich Sand eine Treppe hinunterleerte. Ich mein Bier am Stammtisch, da kam einer zu mir und sagte ganz bedeutungsschwer: «Hab dich am Fernsehen gesehen.» Ich dachte, was kommt wohl jetzt? Und er fuhr fort: «Roman, spinnst du eigentlich? Ein erwachsener Mann, der Sand die Treppe hinableert!» Alle am Tisch lachten. Es war peinlich. Ich ging und kam nie mehr. Schofseckel. Aber was wollte ich denen erklären? Ich war zu weit weg.

Ich hatte zum Beispiel einen Cousin, der war bei der Feuerwehr. Auf ihn war ich stolzer, als wenn er Professor gewesen wäre. Er kam mal an eine Ausstellung mit Zeichnungen für Projekte. Aber am Ende sagte er lediglich: «Fonktioniert.» Es waren vor allem Projekte mit Feuer und Wasser, und er konnte das beurteilen. Man muss nicht immer von Kunst reden. Mich beeindrucken Leute, die etwas gut können. Das kann ein Konditor, ein Weinbauer oder ein Detektiv sein. Das sind auch Künstler. Ich versuche, die Kunst zu vergessen, wenn ich etwas mache.


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Sonntag, 23. Juli 2006

die welt mag ja bildergeflutet sein, aber wenn man an einem sonnigen dienstagmorgen in einer fremden stadt aus dem zug steigt und am bahnhof einen einem bekannten mann in den fünfzigern sieht, der erst kürzlich seinen schnurrbart weggeschnitten hat und an seinem fleischigen arm eine handtasche und sein feister körper in einem deux-pieces und seine füsse parallel und züchtig etwas quergestellt in stöckelschuhen, dann weiss man gar nicht mehr, wo einem der kopf steht für einen moment, denn wegschauen wäre abweisung, nur grüssen gar salopp und ein klärendes gespräch zu viel für eine doch flüchtige bekanntschaft.

also prüft man sich und geht weiter.

und der eine denkt sich, verdammt, der hat mich erkannt, da kann man sich nächtens und ganz weit weg verstecken und dann kommt dann doch einer daher, von dem man jetzt nicht weiss, ob er einen bei anderen anschwärzt. und der andere denkt sich, verdammt, wieso hat der das nötig, sich nächtens und ganz weit weg zu verstecken, der kann das doch auch zuhause machen, das stört doch keinen wirklich. dabei hat er das vielleicht gar nicht versucht. sondern nur einen freund oder eine freundin besucht. und was geht es mich an, was einer in seiner freizeit tut?


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Dienstag, 11. Juli 2006

zuerst wusste der guardian aus unbekannten quellen, dass zidane von materazzi 'dreckiger terrorist' genannt wurde. ein vom brasilianischen tv angestellter lippenleser hat darauf herausgefunden, dass er seine schwester als 'prostituierte' bezeichnet hat. weitere lippenleser kamen zum schluss gemeinsam drauf, dass ihn m. 'sohn einer terroristischen hure' (stand heute) genannt hat. aber niemand konnte verstehen, wieso der grosse zinedine zidane seine grosse karriere so 'unrühmlich' beendete. er habe 'sich selbst vom sockel gestossen'. auf mich selbst wirkte es ganz anders. wie ein grosser, ein grossartiger abgang. einer, der zidane alle ehre macht. warum? darum:

erstens: mit dem alle überraschenden kopf-gegen-brust-stoss beging er eine sehr orginelle und ästhetische tätlichkeit, die nicht mehr schmerzen verursachte, als dass dem verbalen täter kurz die luft wegblieb.

zweitens: dumm wäre es gewesen, er hätte diese aktion anfangs des spiels gemacht. hat jemand ernsthaft in den letzten minuten noch ein tor aus dem spiel erwartet?

drittens: er hätte den penalty verschossen und hat, um so einen abgang zu vermeiden, diese bürde trezeguet übergeben (der prompt das schicksal nach 2000 wieder ausglich). der dritte hätte als logische folge des knapp geskorten ersten und denkbar knapp verwandelten zweiten die torlinie nicht überschritten.

viertens: der kölner trainer hp latour sprach von einer kampfsportart und meinte den fussball, worüber das unkundige studiopublikum des schweizer fernsehens herzlich lachte. der durchprofessionalisierte betrieb lässt tatsächlich ab und zu vergessen, dass es um respekt geht, wenn männer sich gegeneinander behaupten. diesbezügliche grenzen kennt ein durchprofessionalisierter italiener mit heiliger mutter nur zu gut, aber wenn man mit dem überschreiten dieser einen wm-final gewinnen kann, sind etwas brustschmerzen kokolores.

fünftens: zidane hat es schlicht nicht nötig, sich in dem letzten spiel seiner karriere beleidigen zu lassen. dazu war diese zu glanzvoll und seine leistungen zu herausragend.

sechstens: einer, der als buddha bezeichnet wird, hat auch ein innenleben. und wenn dann überraschend mal etwas rauskommt, dann schlagen sich alle sogenannten fans und medien die hände über den köpfen zusammen und können nicht verstehen, wie ein spieler so dumm sein kann und seine karriere so kaputt machen kann. angesichts unbewegter gesichter sollte man nie vergessen, dass der mensch keine maschine ist.

siebtens: seine mitspieler hatten, zur betreffenden szene befragt, durch band nur eins zu sagen. ein ernstes, ein wahres danke für zidane. denn ohne ihn wären sie nie so weit gekommen. auch 1998 nicht.

achtens: alles in allem war es ein schlag auf die brust von allen falschen fans, von allen opportunisten, von allen besserwissern, von allen grossrednern, von allen respektlosen.

diese szene kann man getrost und schweigend verlassen, und wenn man von zehntausenden pfiffen begleitet wird. seine frau hats gesagt. jetzt fängt das leben erst richtig an.


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Donnerstag, 29. Juni 2006

magnatune podcasts (we are not evil)


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Übrigens: Die Schlachtgesänge gröhlenden helvetischen Fanhorden warteten auf dem Weg zum Stadion brav, als die Fußgängerampeln auf rot schalteten.


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diegoo


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Sehen Sie, da werde ich dann ärgerlich. Oft sitzen wir hier beim Frühstück, ich war noch auf dem Markt, habe ihm seine Krabben besorgt und habe herrlich gedeckt. Und plötzlich blitzen seine Augen, und er beginnt durchs Zimmer zu rennen, isst sein Brot nicht und erzählt seine radikalen Geschichten. Das kostet eine Menge Kraft. Aber ich muss es ertragen, für ihn ist es wichtig.


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