Freitag, 18. August 2006

ich habe mir das genau überlegt. Die perfekte Tageseinteilung, dazu bracht man nur noch einen perfekten Raum. Man müsste allein aufwachen, notfalls vom Vogelgezwitscher, aber in jedem Fall ziemlich früh. Dann eine halbe Stunde dämmern und die Träume zurückverfolgen. Dann zügig aufstehen und sich dabei für einen ersten Gedanken entscheiden. Zwei Stunden Morgennotizen, von diesem Gedanken ausgehend. Eine halbe Stunde Frühstück und Zeitungslektüre im hinteren Teil eines Zimmers mit grünen, durchscheinenden Vorhängen oder, wenn das Risiko nicht zu gross ist, im hinteren Teil eines menschenleeren Cafés mit cremefarbenen Wänden und Blick auf die leere, regennasse Strasse. Eine Stunde in fremden Gedanken blättern, sofern sie einen nicht zu sehr an die eigenen erinnern, sonst Reportagen, Material für Stücke. Dann rauchend zur Bibliothek gehen, dabei vor sich hin träumen. Dort mehrere Stunden mit der linken Hand umblättern, mit der rechten Notizen machen. In einem bis dahin übersehenen Restaurant wenig und gut essen, dabei vom Wirt für einen kuriosen, schutzbedürftigen Gast gehalten werden, ihn aber bei der Abrechnung mit Schlagfertigkeit überraschen und amüsieren. Zwei Stunden an irgendeinem Meer gehen, dabei an die Berge denken. Ein Glas Rotwein in einer Bar für Durchreisende. Ein bis zwei Filme in einem abgelegenen Kino. Zu zweit einschlafen.

Jochen Schmidt, "Müller haut uns raus", S. 146


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